Ausgabe März/April 2015: Bericht über den Rosenhang 
(in englisch - eine Übersetzung gibt es am Ende jeder Seite)
 
 


Ralf in Eltville, die Inspiration für den Rosenhang


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Etwa 10 Meilen nordöstlich von Frankfurt gibt es eine wunderschöne und beeindruckende Rosensammlung. Frankfurt ist ja das europäische Finanzzentrum und gleichzeitig eines der Haupteinfallstore Europas. Falls Sie jemals in die Nähe dieser geschäftigen und lebendigen Stadt sein sollten und darüber hinaus auch Rosen lieben, dann ist ein Besuch in Ralf Bersters Rosenhang in Karben ein Muss. Wahrscheinlich werden Sie auch am Frankfurter Flughafen ankommen, wenn Sie eine Pilgerfahrt nach Sangerhausen planen, der größten Rosensammlung der Welt. Dem lebhaften Frankfurt gegenüber ist der Rosenhang ein stilles Refugium für Vögel und für Rosen.

 

Der Rosenhang hat eine interessante Geschichte. Ralf Berster bekam seine ersten Eindrücke von alten Gartenrosen im Jahr 1990, nachdem die Mauer gefallen war.

 

Er hatte Besuch von Freunden aus Ost-Berlin, die endlich mal an den Rhein wollten. Sie fuhren nach Eltville, einem Wein-, Sekt- und Rosenstädtchen, malerisch am Rheinufer gelegen. Man besuchte die Burgruine der Mainzer Kurfürsten aus dem frühen 14. Jahrhundert, wo sich jetzt ein außergewöhnlicher Rosengarten befindet. Ralf war beeindruckt von den Rosen, und ihr Alter und ihre historischen Namen faszinierten ihn. Nicht nur, dass sie altertümlich und nostalgisch wirkten, sie hatten auch Charakter und dufteten herrlich.

 


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Wieder zu Hause begann er über diese Rosen zu lesen und sie in der Folge auch bald zu kaufen. Das Rosenfieber hatte ihn erwischt und schon bald war sein Garten zu klein für seine Rosen, zumal er ihr Wuchspotential unterschätzt hatte. Bald glich sein kleiner Garten einem Dschungel.

 

Nun gab es in der Nähe des Friedhofes von Klein-Karben diesen kleinen öffentlichen Park, eine Wiese mit ein paar Bäumen und Sträuchern, und darauf sollte der Rosenhang entstehen. Ursprünglich war dort einmal eine Lehmgrube gewesen, aber nachdem Lehm als Baumaterial nicht mehr benötigt wurde, verfüllt man das Loch mit Bauschutt. Anfang der 60-er Jahre war das Loch voll. Man brachte eine Schicht Mutterboden auf, pflanzte ein paar Bäume und Sträucher auch ein paar Rosen und ließ das Gras wachsen. Rosen lieben diesen vulkanischen Lösslehm.

 

Es war Trevor Griffiths und seine schönen und unprätentiösen Rosenbücher, die Ralf ermutigten, einen Brief an die Stadt zu schreiben mit dem Vorschlag, diese Wiese mit Rosen zu bepflanzen. Das sollte auf eigene Kosten geschehen, und er bot auch an, die Pflege zu übernehmen. Inzwischen hatte er sich so sehr für das Projekt begeistert, dass ihm noch nicht klar geworden war, auf was er sich da eingelassen hatte. Das Konzept sah nämlich vor, das naturnahe Umfeld  zu erhalten, was sich inzwischen eingestellt hatte, nachdem die ehemalige Müllkippe zur öffentlichen Grünanlage geworden war.

 

Das war im Mai 1993. Die Stadtverwaltung gab Grünes Licht, und Ralf fing an Pflanzlöcher zu graben.



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Im Oktober und November wurden die ersten 200 Rosen  gepflanzt, und in den zwei Folgejahren jeweils 200 weitere. Im Laufe der Jahre lernte er viel aus den Fehlern, die er gemacht hatte, und gleichzeitig hatte auch ein gewisser Ernüchterungsprozess stattgefunden. Nach einer langen Folge milder Winter gab es drei außergewöhnlich kalte Winter, denen die empfindlichen Hybriden mit dem Erbgut der Chinarosen zum Opfer fielen.

 

Ralf lässt seine Rose so wachsen wie sie wollen, und Rückschnitt ist bei Strauchrosen ohnehin kein großes Thema. Er entfernt nur totes Holz und korrigiert, was stört. Auf chemische Spritzmittel verzichtet er ganz. Ralf sagt, die Rosen könnten manchmal besser aussehen, aber dafür singen dann die Vögel um so schöner.

 

Auf dem Rosenhang stehen über 600 alte Rosen und alle Gruppen sind vertreten. So wie sie gepflanzt sind, wirkt alles sehr natürlich, so als ob sie von sich aus auf einer großen Wiese gewachsen wären.  Ich hatte mehrmals das Vergnügen, die Sammlung zu besuchen, und der Chor der Vögel hat mich besonders beeindruckt. In den Sträuchern habe ich das Nest einer Spottdrossel entdeckt,  und zuweilen findet man auch Rosenkäfer, die in den Staubgefäßen herumwuseln. Eine Rose klettert in einen hohen Kirschbaum.


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Die ‚Venusta pendula’ (siehe Bild auf Seite 80) schwingt sich um eine Fichte und klettert bis in die höchsten Äste. Es ist eine Ayrshire-Rose unbekannter Herkunft, die Wilhelm Kordes 1928 wieder in den Handel gebracht hatte. Sie ist sehr widerstandfähig und auch sehr schön mit ihren rötlichen Knopsen, die sich zu cremeweißen Blüten öffnen.

 

Farben und Düfte vermengen sich zu einer Symphonie, wenn man durch den Rosenhang streift und sich dabei Zeit lässt, und man erlebt immer wieder erfreuliche Überraschungen. Die Anlage hat eine Architektur, aber ich glaube der Aufbau geschah eher intuitiv. Manche größeren Sträucher wie ‚Griseldis’, ‚Anne of Geierstein’ oder ‚Highdownensis’ mit ihren leuchtenden Farbeffekten in Pink- oder sanften Rottönen bestimmen den natürlichen Hintergrund in den vielen Sorten alter Gartenrosen.  ‚Dr. Georges Martin’  lehnt sich an eine einladende Sitzbank. Standardsorten wie ‚Kazanlik’ und ‚Mme. Hardy’ dürfen natürlich in einer solche Sammlung nicht fehlen, und doch ist man von ihrem Anblick hingerissen.

 

Immer wieder begegnet man seltenen Sorten oder auch Rosen, von denen man zwar gehört, aber die man noch nie gesehen hat. So z. B. St. John’s Rose (Rosa sancta) aus Äthiopien,


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wo sie angeblich auf koptischen Friedhöfen gefunden wurden. Inzwischen ist sie aber fast ausgestorben, weil dort die Ziegen alles auffressen, was grün ist.

 

Wenn man den Blick auf den Rosenhang ruhen lässt, fallen kräftige dunkle Farbtöne ins Auge, in samtigen Purpur ‚Centifolia à Fleurs Doubles Violettes’ oder Tuscany Superb, die Beachtung fordern wie glamouröse Filmstars auf dem Roten Teppich. Sie bringen eine gewisse Dramatik in die eher weicheren Farbtöne der alten Rosen. Auf Deutsch nennt man diese samtige Unwiderstehlichkeit „zumpt“ (wie es die Amerikaner phonetisch schreiben würden). Manche Rosen haben auch kräftige Farben wie Juwelen.

 

Fall Sie jemals in der Nähe von Frankfurt sein sollten, sind Sie herzlich eingeladen, diesen Ort aufzusuchen. Es ist ein Ort zum Innehalten, tief durchzuatmen und die Rosen zu genießen.

 

Der Rosenhang ist immer offen, und man braucht sich nicht anzumelden. Die Adresse ist Büdesheimer Str. in 61184 Karben, Ortsteil Klein-Karben. Es gibt Hinweisschilder zum Friedhof und zum Rosenhang. Ralf Berster steht unter 06039 / 43349 auch für Führungen zur Verfügung.